Redebeitrag zur Demonstration in Karlsruhe am 25.4.2009

Am Morgen des 16.4.2009 wurde das besetzte Haus in Erfurt geräumt. Die Räumung begann gegen sechs Uhr relativ überraschend mit dem Abseilen von Einsatzkräften auf Dächer des besetzten Geländes. Gleichzeitig wurde sich mit einem Räumpanzer und Abrissbaggern Zugang zum hinteren Teil des besetzten Geländes verschafft. Die Räumung wurde vom SEK unter Einsatz von Tränengas durchgeführt. In der obersten Etage des besetzten Hauses konnten jedoch einige Personen, die an einen Betonklotz angekettet waren, die Räumung für längere Zeit behindern. Gegen Halb Zehn waren dann endgültig alle Personen auf dem besetzten Gelände geräumt. Sofort nach der Räumung wurden alle Gebäude des besetzten Teils zerstört, nachdem in den Vormonaten schon alle anderen geschichtlich wertvollen Gebäude auf dem Gelände abgerissen wurden. Mittlerweile ist also von unserem Projekt nur ein Trümmerhaufen geblieben, auf dem eventuell einmal ein Einkaufszentrum gebaut werden soll. Nur das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Topf & Söhne wird als Geschichtsort erhalten.

"So räumt die Polizei den Osten auf", titelte hämisch die Bild-Zeitung am Tag nach der Räumung und Erfurts Bürgermeister Bausewein wirbt mit dem Slogan "Klare Verhältnisse schaffen". In den Tagen nach der Räumung herrschten jedoch glücklicherweise alles andere als "klare Verhältnisse". Unterstützer_innen des besetzten Hauses organisierten mehrere Demonstrationen und Kundgebungen in Erfurt, mehrere Tage lang brannten regelmäßig Müllcontainer in der Stadt, es wurden kurzzeitig Häuser besetzt, das Arbeitsamt wurde entglast - kurz gesagt: auch die hohe Polizeipräsenz konnte nicht verhindern, dass die Wut der Unterstützer_innen über die martialische Räumung des besetzten Hauses zum Ausdruck gebracht wurde. Überrascht wurden wir durch die große Welle von Unterstützungsaktionen in anderen Städten. So wurden in Weimar noch am Tag der Räumung durch über 40 Müllcontainerbrände die Kosten in die Höhe getrieben, im schwedischen Växjö wurde kurzzeitig eine Polizeiakademie besetzt und in vielen Städten, beispielsweise Leipzig, Nürnberg, Rostock und Hamburg fanden unangemeldete Demonstrationen statt. Bisher haben in über 30 Städten Protestaktionen gegen die Räumung in Erfurt stattgefunden. Wir freuen uns über so viel Unterstützung und darüber dass der Kampf um selbstverwaltete Projekte so vielen am Herzen liegt.

Das besetzte Haus Erfurt war ein seit acht Jahren bestehendes sozial-politisch-kulturelles Zentrum. Auf dem Areal der ehemaligen Krematorienbauer von Auschwitz wurde sich aktiv mit der Geschichte der Firma Topf & Söhne auseinandergesetzt. Es fanden regelmäßig Vorträge, Kundgebungen und Infoveranstaltungen zu geschichtspolitischen Themen statt. Darüber hinaus mischte sich das Projekt aktiv mit gesellschaftskritischer Intention in öffentliche Auseinandersetzungen ein und engagierte sich gegen strukturelle Mißstände, wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Kapitalismus. Auch zeigte das besetzte Haus immer wieder sein Engagement und beteiligte sich an Aktionen gegen Neonazis und deren faschistische Umtriebe. Nicht zuletzt befand sich auf dem Projekt Wohnraum, ein Wagenplatz, eine Lesecafe und ein Umsonstladen. Regelmäßig fanden Parties und Konzerte statt, die von vielen Menschen besucht wurden.

Da es trotz längerer Suche kein Alternativobjekt gibt, ist nun eine Lücke entstanden. Dennoch wird die Forderung nach einem selbstverwalteten Projekt durch diese Räumung nicht verschwinden. Wir werden auch weiterhin für selbstverwaltete Räume in Erfurt kämpfen! Dass wir dabei keine Unterstützung von der Stadt erwarten können, ist nun erst recht offensichtlich geworden. Bürgermeister Bausewein lässt es sich nicht nehmen in jedes ihm hingehaltene Mikrofon anzukündigen, dass jede Neubesetzung sofort geräumt wird und die Lokalzeitungen jammern über die Verkehrsbeeinträchtigungen während der Räumung, über abgebrannte Müllcontainer und wer das denn alles bezahlen soll... Momentan stehen wir damit vor einem ähnlichen Problem wie so viele geräumte Projekte in der letzten Zeit, beispielsweise die Grevener Straße in Münster und die Yorckstraße in Berlin. Unser Projekt ist weg und die Aussichten auf ein neues stehen denkbar schlecht. Die große Unterstützung in Erfurt und in so vielen Städten gibt uns jedoch die Gewissheit, dass wir mit unserem Problem nicht allein dastehen und dass das besetzte Haus nicht das letzte selbsverwaltete Hausprojekt in Erfurt bleiben wird.

Wir kämpfen weiterhin für für selbstverwaltete Räume in Erfurt und überall!