Sicherheit Macht Angst


Es herrscht Notstand in der Republik. Das zumindest sagt ein Bündnis irgendwie linker Gruppierungen und Grüppchen. Und bei Betrachtung der Situation kommt mensch kaum umhin ihnen zuzustimmen. Zunehmende Militarisierung der Gesellschaft, deutsche Soldat_innen in aller Welt im Einsatz für die Verteidigung "unserer Freiheit" und inzwischen sind die Soldat_innen auch schon im Inland unterwegs um alle "vor den Terroristen zu beschützen" - zum Beispiel auf dem G8-Gipfel. Mensch muss kein_e Freund_in der G8-Proteste gewesen sein, um festzustellen, dass grundlegende bürgerliche Rechte und Freiheiten beschnitten und eingeschränkt wurden. Obwohl über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren noch gestritten wird, wurde mit dem Einsatz von Panzern und Tornados bei Heiligendamm das Ergebnis bereits vorweggenommen.
Dazu immer mehr Repression, mehr Überwachung, mehr Datenspeicherung, mehr Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten, mehr, immer mehr. Beispielsweise werden beim Stellen eines ALG II Antrages nicht nur Informationen über private Beziehungen und alle Kontobewegungen gefordert, sondern evtl. auch die Wohnung inspiziert.

Geplante Sicherheitsgesetze für 2008


Wer denkt, dass Handyortung nur in Spionagefilmen vorkommt, wird mit der Gesetzesnovelle, die im November 2007 verabschiedet werden soll, eines Besseren belehrt. Diese sieht eine 6 Monate lange Speicherung der Gesprächsdaten vor. Dies beinhaltet mit wem, wie lange und wo telefoniert wird. Gleiches gilt für Kommunikation im Internet und per SMS. Auch hier wird gespeichert, wer, wann mit wem kommuniziert. Mit einem richterlichen Beschluss können mit Anfragen an Internetanbieter weitere Rückschlüsse auf das Nutzer_innenverhalten gezogen werden. Unbeobachtet kann mensch sich also weder in der realen noch in der virtuellen Welt fühlen. Inwieweit diese Daten ausgewertet werden, ist bis jetzt noch nicht geklärt – trotzdem oder gerade deswegen ein guter Grund, auf die eigenen Daten acht zu geben.

Wie gefährlich das Sammeln von Daten sein kann, lässt sich eindrücklich an der geplanten Speicherung aller Krankheitsdaten auf der Chipkarte der Krankenkasse nachvollziehen. Auch wenn im Moment diese Daten nicht außerhalb der ärztlichen Praxis genutzt werden sollen, ist das große Interesse der Krankenkassen und der Privatwirtschaft an ihrer Nutzung kein Geheimnis. Der bisherige Umgang des Staates mit einmal gespeicherten sensiblen Daten zeigt, dass diese früher oder später auch entgegen vorheriger Ankündigungen genutzt werden. Erinnert sei hier nur an die Nutzung der Autobahnmautdaten. Deshalb ist auch die geplante Speicherung von biometrischen Daten auf Ausweis und Reisepass abzulehnen, auch wenn die erhobenen Daten bisher nicht in einer zentralen Datenbank gespeichert werden sollen.

Im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin arbeiten seit 2005 der Bundesnachrichtendienst, die Kriminal- und Verfassungsschutzämter der Länder, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt und der Militärische Abschirmdienst zusammen. Mit der strikten Trennung dieser Behörden nach dem Sieg der Alliierten über Nazideutschland sollte eine solche Machtkonzentration verhindert werden, da ein derart umfassender Überwachungsapparat weder durch einzelne Personen noch durch andere Behörden fassbar oder kontrollierbar ist.
Als Beispiel dafür kann im Moment der Umgang mit vermeintlichen Terrorist_innen im § 129a Verfahren gegen die Militante Gruppe (MG) genannt werden. Hier wurde zumindest eine Person ohne hinreichende Beweislast komplett überwacht und in Untersuchungshaft genommen. Der § 129 a stellt die Gründung, Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung für eine terroristische Vereinigung unter Strafe. Er wurde bisher hauptsächlich zur Ausleuchtung meist linksradikaler Personengruppen genutzt, jedoch kam es nur in sehr wenigen Fällen zu einer rechtskräftigen Verurteilung.

Kritik an der Kampagne "Notstand der Republik"


Eigentlich sollte es das Interesse einer liberalen bürgerlichen Mitte sein, sich für die Aufrechterhaltung der Grundrechte der Demokratie einzusetzen, die sie doch immer so hoch anpreisen. Dass der Widerstand aus diesen Reihen gerade eher bescheiden ausfällt, mag einer der Gründe gewesen sein, warum Gruppen, die zum Teil das Wort "kommunistisch" in ihrem Namen tragen, nun mit der Kampagne "Notstand der Republik" zur Verteidigung derselben antreten.

Von einer grundlegenden Kritik an den bestehenden Verhältnissen ist ihre Erklärung jedoch weit entfernt. So wichtig unter den gegebenen Umständen das Aufbegehren ist, so notwendig wäre es eigentlich auch, eine radikale Kritik zu äußern, also an die Wurzeln des Übels zu gehen. Zumindest aber sollten keine Kategorien, Konstrukte und Begriffe genutzt und reproduziert werden, die weit von emanzipatorischer Kritik entfernt sind.
Statt von Zwangskollektiven Abschied zu nehmen, bezieht sich die Kampagne wieder einmal auf das "gute alte Volk", ohne sich bewusst zu machen, dass "Volk" immer die Konstruktion eines Zusammenhanges von Menschen ist, die ihnen Teile ihrer Individualität raubt; sie gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen abgrenzt - und damit auch Menschen ausgrenzt.
Da wird gegen die Entrechtung von Menschen angeschrieben, ohne gleichzeitig mitzudenken, dass auch die Kategorie des Rechts etwas ist, was nicht ohne eine Gewalt zu denken ist, die das Recht setzt und auch durchsetzt. Was Letzteres ist, dürfte klar sein und läuft in einer seiner Ausprägungen gerade wahrscheinlich auch hier in grüner oder schwarzer Uniform herum.

In der Erklärung der Kampagne wird sehr klar zwischen "den Herrschenden", welche die Sicherheitsgesetze erlassen und dem "Volk", das darunter zu leiden hat, unterschieden. Gerade im Falle der neuen Sicherheitsgesetze ist jedoch zu beobachten, dass die Verschärfung der Gesetze von Teilen eben dieses angeblich "leidenden Volkes" eingefordert wird – Kameraüberwachung und Rasterfahndung bedienen eben auch das Sicherheitsbedürfnis vieler Bürger_innen beim Schutz ihres Kleingartens vor unerwünschten Migrant_innen.

Während die Kampagne versucht, die Demokratie gegen einen autoritären Staat stark zu machen, stellen wir die Gegensätzlichkeit dieser beiden Systeme in Frage. Der demokratische Staat – der von (fast) allen in ihm lebenden Menschen mehr oder weniger getragen wird - wird mit Hilfe autoritärer Organe wie Polizei und Militär aufrecht erhalten. Er setzt sich Tag für Tag über die Bedürfnisse von Menschen hinweg, die keine Mehrheit auf ihrer Seite haben, keine staatsbürgerlichen Rechte besitzen (z.B. Flüchtlinge) oder den Kapitalismus generell in Frage stellen.

Wir rufen deshalb auf, sich gegen Sicherheitsgesetze und deren geplante Verschärfung, ALG II und andere Zumutungen zu wehren.
Beteiligt euch am dezentralen Aktionstag am 06. November. Kommt am 06. November nach Jena zur Demo, Beginn 17:00 am alten Rathaus! Oder organisiert euch selbst!


Die Besetzer_innen eines Teils des ehemaligen Topf & Söhne Geländes