Thüringische Landeszeitung vom 17.04.2009

Sie fahren los


Topf & Söhne: Besetztes Haus gestern Morgen geräumt

Von Hartmut Schwarz und Anette Elsner

Daberstedt. (tlz) Szenen wie aus einem Actionfilm, an den auch einige Passanten und Anwohner zunächst glaubten, gestern Morgen gegen 5.30 Uhr in der Rudolstädter Straße: Schwer ausgerüstete Polizisten mit Laserpointer-Waffen springen aus Einsatzfahrzeugen, andere seilen sich aus zwei Hubschraubern auf das Besetzte Haus auf dem einstigen Topf-&-Söhne-Gelände ab, wieder andere erstürmen über Leitern das Gebäude, decken das Dach ab oder verschaffen sich mit Räumpanzern und Abrissbaggern Zugang zum hinteren Teil des Geländes.
Vollzugshilfe zur Durchsetzung der Räumungsklage für das Haus leistete die Polizei: Das Landgericht Erfurt hatte am 3. April entschieden, dass geräumt werden soll. Der gestrige Einsatz kam offenbar nicht wirklich unverhofft für die Besetzer. Sie fahren jetzt los: Mit dieser Botschaft kamen Radfahrer in der Rudolstädter Straße an, wo sich etwa 35 Menschen zu einer Sitzblockade vor dem Gelände eingefunden hatten. Dies ist eine friedliche Sitzblockade, skandierten sie, während auf die Einsatzfahrzeuge hunderter von Polizisten, die aus Bayern, Hessen, Sachsen und den um Erfurt liegenden Polizeidirektionen in der Rudolstädter Straße zusammengezogen worden waren, Steine vom Dach flogen. Eine brennende Blockade wurde von den Besetzern über die Weimarische Straße gezogen und vom Wasserwerfer der Polizei wieder gelöscht.

Während die 35-köpfige Sitzblockade sich freiwillig vom Gelände fahren ließ, machte eine kleinere Gruppe auf dem Dach größere Probleme. Mit Transparenten vertrat sie ihre Sicht der Dinge, fünf der Gruppe hatten sich zudem noch angekettet, einer hatte seine Füße sogar in Beton gegossen, musste mit dem Bohrhammer befreit werden.
Insgesamt wurden 59 Besetzer vorläufig festgenommen; alle bekamen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Ihre Habseligkeiten wurden dokumentiert, mitgegeben oder sichergestellt. Darunter Nagelbomben, Molotow-Cocktails, pyrotechnische Erzeugnisse, mehrere Äxte und Messer.

Polizeieinsatz führte zu Verkehrschaos

Verletzt worden sei niemand, lediglich zwei Polizeifahrzeuge wurden durch die geworfenen Steine beschädigt. Verluste gab es auch bei der Stadtwirtschaft durch umgeworfene Müllcontainer und zusätzliche Einsatzstunden. Auch die Weimarische Straße hat durch den Brand der Barriere etwas gelitten was nur ein Grund dafür war, dass das Gebiet bis zum Einsatzende weiträumig abgesperrt wurde, was zu einem kleinen Verkehrschaos führte, zu langen Staus auf den Umleitungsstrecken. Zwischen Schmidtstedter Knoten und Jenaer Straße gehörte die Weimarische der Polizei.
Bei der EVAG sorgte das für Verspätungen von bis zu 30 Minuten auf den Buslinien 51, 52, 59, 153 und 9, weil Umleitungen gefahren werden mussten. Mehrere 100 Fahrgäste waren betroffen: Wir sind von dem Einsatz überrascht worden wie alle anderen auch, sagte Betriebsleiter Michael Nitschke. Bis zum Vormittag sei die Lage mit Verspätungen von nur noch zehn Minuten wieder einigermaßen erträglich gewesen.
Abgeschlossen werden konnte der Einsatz mit dem Verladen der letzten Besetzer gegen 10 Uhr, nachdem das Gelände dem Gerichtsvollzieher übergeben worden war, der diese personalintensive Vollzugshilfe bei der Erfurter Polizeidirektion beantragt hatte. Unmittelbar danach wurde von den Bauherren Tatsachen geschaffen, rollten die Bagger durch das Gelände und legten den Grundstein für eine neue Ära auf dem Topf-&-Söhne-Gelände.
"Wir lassen uns unsere Freiräume nicht verbieten": Unter diesem Motto starteten die Besetzer am Abend eine Demonstration....
DGB Jugend, Grüne und Linke Jugend Thüringen sowie das Bildungskollektiv BiKo hatten im Vorfeld das Urteil des Landgerichts Erfurt kritisiert. 19 Personen seien am 3. April zur Räumung verurteilt worden, von denen keinem habe nachgewiesen werden können, dass er oder sie sich auf dem besetzten Gelände aufhalte. Das Landgericht Erfurt war der Auffassung gewesen, dass es nicht nötig sei, tatsächlich auf dem Gelände zu wohnen, um zu den Besetzern gezählt zu werden. Von den seinerzeit 19 Verurteilten sei gestern niemand auf dem Gelände gewesen, teilte BiKo mit.